Joachim Wächter, ein Pommer aus Magdeburg – eine persönliche Begegnung

von Henning Rischer

Er saß in seinem Dienstzimmer im landeskirchlichen Archiv in Greifswald, inmitten von Stapeln aus Büchern und Akten eingebaut, ja fast versteckt,  als ich ihn das erste Mal traf. Rudolf Biederstedt hatte mir den Weg zu ihm geraten.

Das war in den frühen 1970er Jahren, als Greifswald noch per Dekret der Sowjets  in Ostmecklenburg lag und die jahrhundertealte pommersche evangelische Kirche „Landeskirche Greifswald“ genannt werden musste. Mich hatte damals genau dieser offenkundige Widerspruch neugierig auf das Land am Meer gemacht, in das ich ein paar Jahre zuvor aus Sachsen gezogen war.

Ein noch unbedarfter Laie, wie ich es damals war, ist bei Joachim Wächter nach wie vor an der richtigen Adresse. Er besitzt die Fähigkeit, den Anfänger, den Suchenden nicht mit einer Flut von Daten und Fakten zu überhäufen, die ihn erschlägt und eher abschreckt, sondern ihm ein didaktisch wohl durchdachtes Gerüst an die Hand zu geben, Wege aufzuzeigen und Quellen zu erschließen, die zu einer soliden und ausbaufähigen Kenntnis der Geschichte Pommerns führen können.

Joachim Wächter hatte Ende der 1950er Jahre neben anderen kleineren Archiven auch das Loitzer Stadtarchiv nach Greifswald  übernommen und es damit vor dem sicheren Verlust bewahrt. In diesem Loitzer Stadtarchiv müsse ich, so riet er mir, vor dem Hintergrund der pommerschen Geschichte arbeiten, wenn ich die Loitzer Stadtgeschichte verstehen wolle.

Es erleichtert die Arbeit für den suchenden Anfänger ungemein, bei der Recherche das Ende eines Fadens fassen zu können und sich daran durch ein, zu Anfang schier unüberblickbar erscheinendes Archiv zu „hangeln“. Jochim Wächter gab mir ein geordnetes Bündel solcher Fäden an die Hand. Das hat mir die Arbeit bis zum heutigen Tag sehr erleichtert.

Als in den 1980er Jahren in der DDR die Geschichte wieder vielschichtiger wahrgenommen wurde und dargestellt werden durfte, waren es wieder Joachim Wächter und Rudolf Biederstedt, die nunmehr einem größeren Publikum die pommersche Geschichte zu erschließen halfen. Im Demminer Museum hatte sich eine Gruppe zusammengefunden, die Pommerns Geschichte  kennen lernen oder wieder kennen lernen wollte; freilich vorsichtig im noch immer scharfen ideologischen Minenfeld der SED. Die Formulierungen waren zumindest in der öffentlichen Darstellung sorgsam zu wählen. Hätte jemand damals die Vorträge von Wächter und Biederstedt aufgeschrieben und publiziert, könnte der Titel vielleicht lauten „Einführung in die pommersche Geschichte“. Joachim Wächter war einer der Geburtshelfer dieser „Demminer Kolloquien zur Geschichte Vorpommerns“, die seit 1985 jährlich die an der pommerschen Geschichte Interessierten zusammenführen.

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Joachim Wächter 1997 während einer Führung in Rakow (Foto: Frieder Löffler)

Unvergessen sind Joachim Wächters „Rettungsaktionen“ für ausgefallene Referenten. Ganz selbstverständlich trat er ans Mikrofon und sprach dann frei über das Thema, das sonst hätte ausfallen müssen. Der Zuhörer musste den Eindruck bekommen, dass hier ein langfristig vorbereiteter Referent am Pult stand. Auch hier hielt er einen klar strukturierten und für jeden verständlichen Vortrag, geschöpft aus seinem enzyklopädischen Wissen über die pommersche Geschichte.

Am 7. Juli 1990, es hatten sich besonders viele Teilnehmer zum Demminer Kolloquium eingefunden, sollten Weichen gestellt werden. Die politischen Rahmenbedingungen für die pommersche Landesgeschichte hatten sich nach der deutschen Wiedervereinigung grundlegend verändert. In welchem Rahmen wollen wir  hier in Vorpommern im außeruniversitären Bereich pommersche Geschichte den Menschen näher bringen? Eine Option war eine eigene Abteilung Vorpommern innerhalb der Gesellschaft für pommersche Geschichte, Altertumskunde und Kunst. Das Ergebnis ist bekannt, und es war wieder Joachim Wächter, der sich, solange es seine Kräfte zuließen, als ihr Leiter engagierte. Wie er die Abteilung Vorpommern prägte und ausbaute,  ist an vielen Stellen gewürdigt worden. Schon sein rein physischer Einsatz, vom „Zusammentelefonieren“ der Referenten bis zum Versenden der Programme in einer Zeit, als das Internet erst anfing, die Arbeit zu erleichtern, nötigen auch dem Respekt ab, der nicht immer seiner Meinung ist. Joachim Wächter ist noch immer ein Pommer aus Magdeburg.