Das Land am Meer zwischen Brüchen und Neuanfängen

Das Pommersche Landesmuseum in Greifswald hat Anfang April die Dauerausstellung zum 20. Jahrhundert eröffnet.

Wie ein Sinnbild für die von „Lockdown“ und Distanz geprägte Zeit mag das Finale erscheinen: Ein Raum von der Größe eines Wohnzimmers wird durch eine dreiseitige Videoprojektion zu einem Strandpanorama geweitet, in dem der Besucher, von Meeresrauschen umgeben, den realen Küstenbesuch imaginieren kann – jener eine Besucher, der für seine Nachfolger, halten sie den Mindestabstand ein, zum lebendigen Teil einer Installation wird, die ihn zur introvertierten Rückenfigur nach dem Vorbild eines Caspar David Friedrich werden lässt.

Ist das Publikum bis hierher gelangt, so hat es einen intensiven Parcours aus fokussierten Kabinetten, akzentuierenden Exponaten und vertiefenden Medienstationen hinter sich.

Es ist der letzte Teil der Dauerausstellung zur pommerschen Landesgesichte, der seit April 2021 in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald zu sehen ist. Mit der Betrachtung des 20. Jahrhunderts endet nun ein Entstehungsprozess im Pommerschen Landesmuseum, der bereits vor dem hier gewählten inhaltlichen Schlusspunkt, dem Beitritt Polens zum Schengener Abkommen 2007, begann. War die Gemäldegalerie bereits im Jahr 2000 eröffnet worden, so wird seit der Einweihung des gesamten Gebäudekomplexes auf dem Areal des einstigen „Grauen Klosters“, 2005, in den Kellerräumen ein Bogen von den geologischen und urgeschichtlichen Anfängen bis ins Spätmittelalter aufgetan.In diesen fügt sich im Erdgeschoss als Herzstück das „goldene Zeitalter“ der 1637 erloschenen Greifendynastie ein – wobei der „Croy-Teppich“, aus dem Besitz der Universität, als großes protestantisches Bekenntnisbild quantitativ wie qualitativ einen Ankerpunkt bildet.

Über den zentralen Lichthof des einstigen Armen- und Altenheimes gelangt man seit 2010 in einen Teil des ersten Stocks, der den Bogen vom Dreißigjährigen Krieg über die schwedische und preußische Zeit Pommerns bis zum Aufblühen des Bädertourismus im Deutschen Kaiserreich fortführt.

Nach mittlerweile einer weiteren Dekade wird nun jener historische Bogen zu einem konsequenten Rundgang geschlossen.

Foto: A. Hansmann

Von der Kriegsnot zum Stoewer-Automobil

Endete die Schau bisher mit einem, von strahlendem Weiß geprägten Raum, der mit einer Vielzahl an maritimen Erinnerungsstücken die realisierten Träume einer prosperierenden Gesellschaft einfängt, so wird nun das dominierende Schwarz zum Sinnbild für die katastrophengeprägten Jahrzehnte, die zur Verklärung jener „guten alten Zeit“ beitrugen.

Die Zeit des Ersten Weltkrieges wird multiperspektivisch zwischen staatlichem Siegeswillen und individueller Ernüchterung und Trauer aufgezeigt.Offizielle Zeitungsschlagzeilen kontrastieren Feldpostbriefe und Todesanzeigen.Für die ermüdete Kriegseuphorie steht sinnbildlich ein „Nagelbrett“, bei dem das Motiv des pommerschen Greifen nur fragmentarisch mit den für Kriegsanleihen eingeschlagenen Nagelköpfen bestückt ist.Einer 1917 anlässlich seiner Berufung zum Reichskanzler von Kaiser Wilhelm II. übergebenen Prunkvase an den späteren (1918/19) Oberpräsidenten der Provinz Pommern, Georg Michaelis (1857–1936) steht eine Gefallenentafel gegenüber, deren Pendants in vielen Stadt- und Dorfkirchen heute die Gemeinden zu Diskussionen über einen angemessenen Umgang anregen.

Die ökonomische Not der 1920er Jahre und Versuche, sie zu überwinden, werden am Beispiel der Freester Fischerteppiche aufgezeigt, mit denen ab 1928 als „Umschulungsmaßnahme“ auf finanzielle Einbußen durch Ostseefangquoten reagiert wurde. Über die politischen Systeme hinweg bildete sich trotz Versuchen der politischen Vereinnahmung eine eigenständige und vielgeachtete Kunsthandwerkstradition heraus, die erst nach 1990 ein wirtschaftliches Ende fand.

Kurzlebiger, aber weitaus überregionaler beachtet, war die Entwicklung der Automobile der Stettiner Stoewer-Werke AG. Die Firmenfabrikate reichten von Schreibmaschinen über Fahrräder bis hin zu luxurösen Karosserien auf Augenhöhe mit den Fabrikaten von Mercedes und Horch, wie ein restaurierter Kühlergrill eines „Stoewer D9“ in der Ausstellung demonstriert.

 

Von „brauner“ Euphorie zum bitteren Ende

Die politischen Folgen des Ersten Weltkrieges hatten Pommern zum Grenzland gemacht, das mit dem Wiederentstehen des polnischen Staates und der Einrichtung der Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen (1938 an Pommern angegliedert) teils neu strukturiert wurde.Die konservativ-nationale Grundeinstellung weiter Bevölkerungsteile kam zunächst in den Wahlergebnissen der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) zum Ausdruck, bevor auch hier ab 1932 die NSDAP dominierte.

Wird in einem Ausstellungsbereich zunächst die Euphorie für die Versprechungen der Diktatur, unter anderem durch Pläne der gigantomanischen „KdF“-Baustelle Prora und der damit verbundenen Errichtung des Rügendamms, verdeutlicht, so steht dem in der Folge die mit aller Entschlossenheit vorangetriebene Rüstungsindustrie gegenüber.Sehr eindringlich verdeutlicht dies die Hintergrunderzählung zu einem Rudiment einer V2-Brennkammer: Im November 1944 in den Niederlanden mit dem Ziel London gestartet, landete die Rakete auf einem englischen Feld, von dem zwei Jungen die von Hitze und Wucht deformierten Reste auflasen und dann jahrzehntelang verwahrten, bevor sie sie im Jahr 2015 dem Historisch-Technischen Museum Peenemünde übergaben, das sie nun als Dauerleihgabe dem Landesmuseum überlassen hat.

Den detaillierten Modellen verschiedener Rüstungsgüter und vermeintlicher „Wunderwaffen“ ist eine Wandtapete mit einem großformatigen Foto beigeordnet: In inszenierter Pose lässt sich Hitler vom pommerschen Gauleiter Franz Schwede-Coburg (1888-1960) die Baupläne für die neue Vulcan-Werft in Stettin erklären.

Als „120-prozentiger“ Gefolgsmann war er maßgeblich an den Verbrechen beteiligt, denen der nachfolgende Raum nur punktuell Ausdruck verleihen kann.Für die 1939 unabhängig von der „Zentraldienststelle T4“ verordneten „Verlegungen“ von Patientinnen und Patienten aus einer Vielzahl von Heil- und Pflegeanstalten können hier nur exemplarische Fotografien eines vermeintlich „harmonischen“ Lebens in diesen Einrichtungen dienen, da sich von den Opfern der „Eugenik“ kaum Selbstzeugnisse erhalten haben.

Anders sieht es mit Dokumenten der Deportation der jüdischen Bevölkerung aus, bei der sich die pommersche Gauleitung im Februar 1940 einer „Vorreiterrolle“ rühmte.Für nahezu jeden, der den organsierten Weg in den Tod antreten musste, wurde kurz zuvor eine Kennkarte angelegt.Diese Kennkarten sind in faksimilierter Form in der Ausstellung einsehbar und in einer Medienstation machen Zeitzeugeninterviews mit einzelnen der wenigen Überlebenden den individuellen Bezug der großen abstrakten Zahlen deutlich.

Den Verfolgten ist eine Reihe von Aktiven im Widerstand gegenübergestellt. Sie stehen als Einzelpersonen für ein breiteres konfessionelles und gesellschaftspolitisches Spektrum, das sich aus seinem jeweiligen Wertehorizont heraus der NS-Herrschaft widersetzte.Neben Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), als Vertreter der Bekennenden Kirche und dem Kommunisten Walter Empacher (1906-1945) wird u.a.auch Ewald von Kleist-Schmenzin (1890-1945) genannt, der als konservativer Gutsbesitzer dem Demagogen Hitler äußerst abneigend gegenüberstand.    Dass der in Vorpommern geborene und aufgewachsene Berthold Beitz (1913-2013) besonders herausgestellt wird, findet auch in seinem späteren Engagement für die Stadt und die Universität Greifswald eine Begründung, wovon seit 2000 insbesondere das „Alfried Krupp Wissenschaftskolleg“ zeugt. Seine Biografie ist mit einer Ansicht der einstigen Bohrtürme von Borysław (heute Westukraine) hinterlegt und im Abdruck eines Schreibens von 1947 wird von einem ehemaligen Zwangsarbeiter sein schützendes Wirken für die jüdischen Angestellten der „Karpathen-Öl AG“ von 1941 bis 1944 bescheinigt.

 

In geradezu grotesker Farbenpracht treten im folgenden Raumteil Ausschnitte aus dem Propagandafilm „Kolberg“ hervor.Mit übermäßig hohem Budget und dem in Stettin geborenen Heinrich George (1893-1946) wurde 1943/44 zu vielen Teilen an Originalschauplätzen in Kolberg (und Treptow an der Rega) gedreht – dass die Stadt am 18.März 1945, als der Film in den Kinos lief, von sowjetischen und polnischen Truppen erobert wurde (was für letztere mit der symbolischen „Vermählung Polens mit dem Meer“ zu einem Identifikationsmythos werden sollte), zensierte Goebbels im Wehrmachtsbericht.

 

Auf drei Wegen in eine neue Zeit

Erscheint all dies als eine „finstere Nacht“, so ist das „Erwachen“ von Verlust, Transformation und Neuaneignung geprägt.Seit der Angliederung Schwedisch-Vorpommerns in die preußische Provinz 1815 war Pommern, trotz der lokalen Vielfalt, ein weitgehend einheitliches administratives und kulturelles Gebilde. Mit der Teilung zwischen dem polnischen Staat und der späteren DDR entstanden Brüche, deren Verarbeitung zu einer Generationenaufgabe wurde.

Nach der Enge der bisherigen Kabinette weitet sich die Ausstellung zu einem größeren Raum, der von einem Block aus mehreren Medienstationen bestimmt wird.Intention ist es, hier auch Besuchergruppen und Schulklassen weiterführende Zugänge zum Thema „Flucht und Vertreibung“ zu ermöglichen, wozu wiederum teils exklusive Zeitzeugenaussagen gehören. In einer Vitrine werden einzelne Objekte gezeigt, die sich jeweils mit einer persönlichen Geschichte verbinden lassen.

Foto: A. Hansmann

Um die nachfolgenden Dekaden zu erfassen, war es notwendig, drei parallele Entwicklungen zu beleuchten: (1.) Diejenige der zu großen Teilen in den Westen Deutschlands Geflüchteten, (2.) die des zum Teil der DDR werdenden Vorpommerns und (3.) die des nun polnischen “Westpommern“. Auch wenn sich einige Wege kreuzen oder auch abkürzen lassen, so empfiehlt das Konzept jedoch, den Entwicklungen in dieser genannten Reihenfolge nachzugehen.

Den Bewältigungsstrategien beim „Neuanfang in der Fremde“ widmet sich der erste Teil dieses Ausstellungsabschnitts.Von den ca.1,5 Millionen Vertriebenen lebten 1950 ca.900.000 in der Bundesrepublik, wo sich identitätsstiftende Gemeinschaftsstrukturen herausbildeten.Eine große Schauwand zeigt eine Karte, auf der die einstigen Herkunftsorte den Gründungen von Patenschaften aufnehmender Städte gegenübergestellt werden.Trotz der signifikanten Konzentration im östlichen Schleswig-Holstein sind sie bis in die Mitte der Bundesrepublik verbreitet. Aus dem hessischen Korbach hat das Landesmuseum die „Pyritzer Heimatstube“ erhalten, in die lediglich durch kleine Sichtfenster in der Vitrinenwand geblickt werden kann.Diese Distanz, die das vermeintlich „Heimattümelnde“ nicht unreflektiert übernimmt, es aber als zentralen Ausdruck der Erinnerungskultur der damaligen Generationen herausstellt, war den Ausstellungsmachern wichtig.

Auch die Fortführung von Traditionsbetrieben findet Erwähnung.Neben dem Neuanfang der Fleischerei „Rügenwalder Mühle“ in Bad Zwischenahn, kann man auch vom „Stolper Jungchen“ erfahren, der ab 1948 in der Käserei Bergen als „Rügener Badejunge“ fortlebte und nach 1990 zu einer „Wiederentdeckung“ als „Słupski chłopczyk“ am ursprünglichen Ort führte.

 

„(Vor)Pommern“ verschwindet von der Landkarte

Mit der Betrachtung Vorpommerns wird das Landesmuseum auch der Regionalgeschichte im engeren Sinne gerecht.

Die von Mangel und Improvisation geprägte Nachkriegszeit macht hier auch ausstellungspraktische und konservatorische Probleme deutlich: Zwei Schuhpaare aus Igelit bedurften einer eigenen, hermetischen Vitrine, damit deren Weichmacher nicht in andere Exponate einzieht.

Der Aufbau des sozialistischen Staates wird zunächst durch seine tiefen Einschnitte in die bisherige Gesellschaftsordnung verdeutlicht.Güterenteignung und Bodenreform werden auch durch den bewussten Abriss von Herrenhäusern, wie des Schlosses Putbus illustriert.Gesondert wird die „Aktion Rose“ aufgezeigt, mit der 1953 die Besitzer von Hotels und Unterkünften an der Ostsee enteignet wurden.

Mit der Einrichtung der Bezirksstruktur 1952 war Vorpommern offiziell von der Landkarte verschwunden und sein Gebiet nun Teil der Bezirke Rostock und Neubrandenburg.

Dass die Planwirtschaft insbesondere im industriellen Bereich auch Früchte trug, macht zum einen der Ausbau Stralsunds als Werftstandort deutlich, was durch ein Modell der weltweit aktiven Fischtrawler plastisch wird.Zum anderen steht das Kernkraftwerk Lubmin ambivalent für einen kurzzeitigen „Segen“, der ihm durch seine Rolle als wichtiger Energielieferant, insbesondere während des im kollektiven Gedächtnis verankerten „Katastrophenwinters“ 1978/79, zugekommen ist.Den nun vor allem durch den „Freien Deutschen Gewerkschaftsbund“ (FDGB) organisierten Urlaub illustriert eine Vielzahl an Reise- und Wanderkarten, aber auch ein Zusammenschnitt privater Aufnahmen des Berliner Amateurfilmers Manfred Beier.

Die besondere Rolle Greifswalds wurde vor allem in den letzten Kriegstagen begründet.Im Gegensatz zu den meisten Nachbarstädten, bei denen gerade die historischen Zentren zerstört wurden, konnte der Universitätsstandort durch diplomatisches Geschick den Kriegshandlungen größtenteils entgehen.Dabei ist die Position des später heroisierten Stadtkommandanten Rudolf Petershagen (1901-1969) zugunsten anderer Emissäre, wie dem Leiter der Universitätsklinik, Gerhardt Katsch (1887-1961), zu relativieren.Eine Büste des seinerzeit führenden Diabetesforschers und späteren Universitätsrektors erscheint auf einem großen Ausstellungstisch, als zunächst einzig sichtbares Exponat, sehr übermäßig herausgestellt.

Die im Tisch unter Klappdeckeln verborgenen Vitrinen und Medienstationen führen, wie die umgebenden Wände, vor allem eine junge Generation in die gesellschaftlichen Umstände des „real existierenden Sozialismus“ ein.Mit ihren Eltern und Großeltern können sie hier in einer Weise ins Gespräch kommen, welche die Zeit vor 1990 noch nicht in „mythische Ferne“ rückt.Dennoch lassen die hier abschließenden Schwarz-Weiß-Fotos der unmittelbaren „Wende“- und „Nachwendezeit“ nicht nur modisch, sondern auch in Anbetracht der zerfallenden Häuser einen Epochenumbruch erkennen.

Die Annahme Hinterpommerns als ein Teil Polens

Im dritten Teil der Nachkriegsgeschichte wird die polnische Über- und Annahme Hinterpommerns sowie des vorpommerschen Stettins und Wollin thematisiert.Auch hier gab es administrative Neuordnungen, wodurch das historische Gebiet heute Teil der Woiwodschaften „Pommern“ (mit der Hauptstadt Danzig/Gdańsk) und „Westpommern“ ist.Es bedurfte zunächst ideologischer Konstruktionen, um unter anderem das als preußisch-deutsche Metropole geprägte und stark zerstörte Stettin (nun Szczecin) als „urpolnisch“ zu definieren – faktisch waren die Neuankömmlinge von einer pluralen Herkunft geprägt.

Sehr anschaulich wird dies an einer großen Karte, die die Herkunftsgebiete, sowie die ethnisch-religiösen Zugehörigkeiten in Diagrammen aufzeigt und punktuell näher beleuchtet.So kam ein wesentlicher Teil der Neusiedler aus den nun zur Sowjetunion gehörenden Gebieten – religiöse Minderheiten, wie die griechisch-katholischen Ukrainer, haben bis heute einen Platz in der Gesellschaft. (Am Neuanfang war zunächst auch eine relativ hohe Zahl jüdischer „Repatrianten“ beteiligt, von denen jedoch viele, insbesondere aufgrund von antisemitischer Politik Ende der 1960er Jahre, das Land gen USA und Israel verließen.)

Kontinuitäten und Adaptionen werden sehr plastisch mit einem Exemplar eines „Junak“-Motorrads (gerne als „polnische Harley Davidson“ bezeichnet) herausgestellt, das in den vormaligen Stoewer-Werken produziert wurde.Mit der Werftindustrie, die vor allem den sowjetischen Flotten zugutekommen sollte, wird zugleich ein wichtiges Narrativ der jüngeren polnischen Geschichte verbunden: Stettin war, ebenbürtig zu Danzig, einer der ersten Orte, an dem der Arbeiteraufstand im Dezember 1970 ausbrach. Auch die Streiks von 1980, die zur Gründung der „Solidarność“-Gewerkschaft führten, nahmen hier einen Anfang.

Foto: A. Hansmann

Das letzte Kabinett der Ausstellung setzt vor allem farblich noch einmal einen eigenen Akzent.Auf das neutrale Grau der Nachkriegszeit folgt nun das Blau eines geeinten Europas.Durch eine Vielzahl an Karten, Ausstellungsplakaten und Markennamen wird die Wieder- bzw.auch Neuaneignung des historischen Begriffs „Pommern“, beiderseits der Grenze nach 1990 illustriert.Besonders das Wappentier, der Greif, ist zu einem Identitätsträger geworden.In einer kleinen weißen Vitrine herausgestellt, steht ein Stück des ehemaligen Grenzzaunes für dessen Niederlegung nach dem Eintritt Polens in den Schengen-Raum am 21. Dezember 2007.

 

Zusammenarbeit mit dem Nationalmuseum Stettin

Mit mehr als 540 Exponaten, die neben einzelnen Leihgaben aus der eigenen Sammlung stammen, 15 Medienstationen und einer Vielzahl an beweglichen Objekten hat das Pommersche Landesmuseum nicht nur aus technischer Hinsicht ein aktuelles Ausstellungssegment dazugewonnen. Auch die inhaltliche Konzeption, für die sich insbesondere der Historiker Gunter Dehnert und der Museologe Heiko Wartenberg als Kuratoren verantwortlich zeigen, reflektiert den historisch-kritischen und dennoch plastisch-anschaulichen Blick auf die jüngere Vergangenheit und Zeitgeschichte. Dazu trug, insbesondere beim Abschnitt zur hinterpommerschen Entwicklung nach 1945, auch die enge Zusammenarbeit mit polnischen Kollegen, wie den Historikern Tomasz Ślepowroński und Andrzej Hoja bei – letzterer war auch an der Gestaltung der sehr sehenswerten neuen Ausstellung des Stadtmuseums in Gdingen beteiligt.

Das Ausstellungsprojekt ist zugleich Teil eines „Interreg-V-A-Programms“ der Europäischen Union, in das auch das Stettiner Nationalmuseum (Muzeum Narodowe w Szczecinie) eingebunden ist. Die dortigen Museumsabteilungen, unter anderem das repräsentative Gebäude auf der „Hakenterrasse“ (Wały Chrobrego), planen vor diesem Hintergrund eine große Neueröffnung im Herbst 2021. Die Worte des Direktors Lech Krawowski zur Greifswalder Schau haben hier resümierenden, wie ausblickenden Charakter:

Die Realisierung jenes Projektes zeigt – genauso wie bei den früheren gemeinsamen Vorhaben – ein gut funktionierendes Modell einer tiefgehenden, grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Forschung und Vermittlung der Kunst und der Geschichte Pommerns, das divergierende Ansichten und Perspektiven nicht verleugnet, sondern vielmehr gerade diese zu einem besseren Verständnis der Probleme und der Geheimnisse der Vergangenheit nutzt. Die gerade in Ihrem Hause fertiggestellte Ausstellung wird sicherlich zu einem Grund zu weiteren inspirierenden Diskussionen.

Für den Ende April aus seinem Amt verabschiedeten Greifswalder Museumsdirektor Uwe Schröder ist die neue Dauerausstellung zum 20. Jahrhundert auch ein gelungener Abschluss seines langjährigen persönlichen Schaffens. Mit der im Bau befindlichen „Galerie der Romantik“ zeigt sich jedoch bereits ein weiteres Großvorhaben des Pommerschen Landesmuseums am Horizont – das, schließt man, wie von Caspar David Friedrich gefordert, sein „leibliches Auge“, im digitalen Meeresrauschen vor dem „geistigen“ bereits imaginiert werden kann…

Dr. Arvid Hansmann